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Öl und Chemikalien

Gift für unsere Ozeane

Nicht nur durch Katastrophen, auch durch Leckagen gelangt immer wieder Öl in die Ozeane. Foto: Gore Lamar, U.S. Fish and Wildlife Service

Nicht nur Plastik, sondern Öl, Herbizide, Pestizide, Kunstdünger, Reinigungsmittel und Abwasser zerstören unsere maritimen Lebensräume massiv und wirken sich verheerend auf das Ökosystem Meer aus.

Text: Lesley Sevriens

Wahrscheinlich erinnert sich noch jeder an die Ölkatastrophe am Golf von Mexiko: Am 20. April 2010 geriet die Bohrplattform „Deepwater Horizon“ nach einer Explosion in Brand und sank zwei Tage später. Elf Menschen starben und geschätzte 800 Millionen Liter Öl flossen in den Golf von Mexiko. Fotos von ölverschmierten Meeresvögeln gingen damals um die Welt. Die Fläche des Ölteppichs, der sich an den Küsten von Florida, Texas, Louisiana, Alabama und Mississippi erstreckte, war so groß wie die halbe Bundesrepublik Deutschland. Der Vorfall gilt als die bisher schwerste Umweltkatastrophe in der Geschichte der Menschheit. Auch zehn Jahre danach hat sich der Golf von Mexiko noch nicht wieder erholt, die Auswirkungen in der Natur sind heute noch spürbar. Spätestens seit dieser Katastrophe dürfte klar sein, dass uns die Suche nach „dem flüssigen Gold“ auf dem Meeresgrund teuer zu stehen kommen kann – sie geht unweigerlich auf Kosten des größten zusammenhängenden Ökosystems der Welt.

Abwasserrohr
Illegale Rohre. Das direkte Einleiten von Abwässern in Flüsse ist verboten.
Abwässer aus Industrieanlagen werden geklärt - mehr oder weniger gründlich... Foto: Maksym Kaharlytskyi/Unsplash

Jedes zweite Sauerstoffmolekül, das wir zum Atmen brauchen, stammt aus den Meeren

Von den Polkappen bis zu den Tropen – unsere Meere erstrecken sich auf rund 360 Millionen Quadratkilometern über die gesamte Erde. Jedes zweite Sauerstoffmolekül, das wir zum Atmen brauchen, haben wir der Photosynthese der Algen zu verdanken: Sie entziehen der Atmosphäre CO2 und sind damit ein wichtiger Klimafaktor. Zudem gäbe es ohne sie weder tierisches Plankton noch Muscheln, Krebse, Fische oder Meeressäuger. Schätzungen zufolge leben rund 2,3 Millionen Tier- und Pflanzenarten in den Meeren – ein Großteil davon ist bisher noch überhaupt nicht entdeckt oder gar aufgezeichnet worden. Diese Zahlen verdeutlichen, dass der Schutz unserer Meere von enormer Bedeutung ist.

Nicht nur bei verheerenden Katastrophen wie „Exxon Valdez“ oder „Deepwater Horizon“ werden die Ozeane durch gigantische Mengen Öl verunreinigt. Durch den Betrieb von Förderplattformen für fossile Energien gelangen täglich weltweit große Mengen Öl in die Meere – etwa durch Leckagen oder Störfälle. Auch durch illegale Schiffstankreinigungen auf See, und über die Flüsse werden die Meere verunreinigt. Laut einer Studie aus dem Jahr 2014, die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Auftrag gegeben wurde, gelangen etwa 6.000 Tonnen Öl pro Jahr allein in der Nordsee .

Vögel zählen zu den ersten Opfern: Wenn sie mit Öl in Kontakt kommen, verliert ihr Gefieder seine isolierende Wirkung. In der Folge unterkühlen die Tiere. Sie erleiden einen qualvollen Tod. Zudem schädigen giftige Kohlenwasserstoffverbindungen und Schwermetalle ihre Atmungs- und Verdauungssysteme. Nicht nur auf Vögel, sondern auch auf Jungfische, Reptilien und Meeressäuger hat die Ölverschmutzung eine schädigende Wirkung. Bei Meeressäugern wie Walen kann das Einatmen giftiger Stoffe zu schweren Schädigungen des Nervensystems führen.

Auch Abwässer von Industrie, Landwirtschaft und Haushalten stellen ein enormes Umweltproblem dar ¬ sie werden in Flüsse eingeleitet und gelangen von dort aus mehr oder weniger gründlich geklärt in die Ozeane. Die Abwässer transportieren unter anderem winzige Plastikpartikel, die aus Kosmetikprodukten, Putz- und Waschmitteln sowie von Textilien stammen. Das sogenannte Mikroplastik ist so winzig klein, dass es von Kläranlagen nicht herausgefiltert werden kann und somit ungehindert in die Meere gelangt.  – Artikel

Athen, Barcelona oder Mailand leiten ihre Abwässer ins Meer

Die Abwässer, die aus den Kläranlagen und der Industrie – unter anderem auch der Fischzucht-Industrie – in die Meere gelangen, enthalten zahlreiche Giftstoffe und sogenannte sauerstoff-konsumierende Substanzen. Stoffe also, die dem Meer wertvollen Sauerstoff entziehen. Was gestrig und nach längst vergangenen Zeiten klingt, ist selbst in Europa immer noch gang und gäbe: Metropolen wie Athen, Barcelona oder Mailand leiten ihre Abwässer nahezu ungeklärt ins Meer. Zudem werden in städtischen Gebieten, in denen der Oberflächenabfluss nicht in die Abwassereinigungsanlagen gelenkt wird, Schadstoffe wie Pestizide, Metalle, Kohlenwasserstoffe und Lösungsmittel von den versiegelten Straßen und Gehwegen direkt in die nahegelegenen Gewässer gespült. 

Auch Dünger aus der Landwirtschaft vergiftet die Meere

Fachleute unterscheiden zwischen Abwässer, die aus sogenannten Punktquellen wie Kläranlagen oder der Industrie stammen und diffusen Quellen der Meeresverschmutzung. Zu den diffusen Quellen zählt vor allem die Landwirtschaft. So sickert etwa nitrogenreicher Dünger ins Grundwasser oder in Flüsse, gelangt von dort ins Meer und setzt einen Teufelskreis in Gang: Der Dünger kurbelt das Algenwachstum an, die Algen entziehen dem Wasser Sauerstoff. Das Resultat sind sauerstoffarme oder sogar komplett sauerstofflose Regionen im Meer – die sogenannten Todeszonen.

Die Meere haben heute nicht nur mit Unmengen giftiger Substanzen und einem massiven Sauerstoffmangel zu kämpfen – sie sind seit dem Beginn der industriellen Revolution um fast 30 Prozent saurer geworden. Der Grund dafür ist, dass die Ozeane als gigantischer Treibhausgas-Speicher fungieren: In den vergangenen 200 Jahren haben sie über ein Viertel des vom Menschen verursachten atmosphärischen Kohlendioxids aufgenommen. Doch diese Speicherfunktion hat seinen Preis: In dieser Zeit ist der durchschnittliche pH-Wert des Meerwassers um fast ein Drittel gesunken. Schätzungen zufolge werden die Meere bis zum Jahr 2100 gar um 100 bis 150 Prozent saurer werden. Keine guten Aussichten …

Die blaue Lunge hat über Jahrmillionen das Klimasystem unseres Planeten stabilisiert – es ist höchste Zeit, dass wir Menschen nun alles in unserer Macht Stehende tun, um diese Stabilität wieder herzustellen – anstatt die Meere weiter wie eine bessere in Mülldeponie zu behandeln.