Rochen
Die UFOs der Meere
Mit über 630 verschieden Arten sind Rochen vielfältiger als Haie – und stärker bedroht von Überfischung, Umweltverschmutzung, Lebensraumzerstörung und sinnloser Nachstellung zur Produktion wirkungsloser Medikamente. Bedauerlicherweise haben die „Flattermänner“ der Meere“ kaum eine Lobby die sich für ihren Schutz einsetzt. Und trotzdem kennen wir sie alle, die bildhübschen Blaupunktrochen, die im Korallenriff umherhuschen oder die riesigen Mantarochen, die mit ihrer Spannweite von über sieben Meter anmutig durchs Wasser gleiten. Rochen sind keine platt gedrückten Haie, sondern eine völlig eigenständige Tiergruppe mit einer ganz faszinierenden Biologie. Gleiten sie mit uns hinab in die Welt der oft verkannten Knorpelfische.
Text: Wolfgang Pölzer
Knorpel statt Knochen (oder: wer war zuerst da – Hai oder Rochen?)
Knorpel ist leichter, flexibler aber ebenso gut als Baumaterial geeignet, ein Skelett zu bilden wie Knochen – zumindest bei wasserlebenden Tieren. Nicht umsonst hat es Knorpelfische schon lange vor den ersten Dinosaurier gegeben. Und es gibt sie in großer Zahl bis heute. Mit deutlich mehr als der Hälfte aller lebenden Knorpelfische stellen Rochen neben den gut 500 Haiarten und rund 55 der kaum bekannten Seekatzen die wichtigste Gruppe dieser Tierklasse dar. Ihre gemeinsamen Vorfahren sind bereits vor etwa 400 Millionen Jahren durch die Urmeere geschwommen. Daraus haben sich allerdings erst viel später – im Zeitalter der Jura vor rund 150 Millionen Jahren – die modernen Haie und Rochen entwickelt, ähnlich wie wir sie heute kennen.
Rund um die Welt
Von den Tropen bis in die Polarregionen, vom Flachwasser bis in die Tiefsee, Rochen haben alle Meere dieser Welt erobert. Die Süßwasserstechrochen konnten sich mit paar Dutzend Arten sogar an ein Leben im Süßwasser anpassen. Die meisten davon sind gerade mal so groß wie eine Pizza und leben in tropischen Flüssen Südamerikas. Einer fällt jedoch gehörig aus der Reihe. Der Riesen-Süßwasserstechrochen (Urogymnus polylepis) zählt zu den größten Süßwasserfischen der Welt, bewohnt große trübe Flüsse in Südostasien – wie etwa den Mekong – und wird bei einer Länge von annähernd 5 Metern bis zu 600 Kilogramm schwer. Noch größer werden nur die Riesenmantas, die mit einer Spannweite von 7 Meter und einem Gewicht von bis zu zwei Tonnen wie Raumgleiter aus Science-Fiction Filmen durch die Meere ziehen – und das, obwohl sie bloß Plankton fressen.
Platt wie eine Flunder
Eines haben alle Rochen gemeinsam – sie sind ziemlich platt. Kein Wunder, sind die meisten doch bodenlebend und damit perfekt angepasst. Aber auch die im Freiwasser lebenden Arten profitieren von ihrer flachen Körperform und schweben auf breiten Flügeln durchs Wasser – nicht umsonst nennt man einige von ihnen Adlerrochen. Entstanden ist der abgeplattete Körper, indem die großen Brustflossen mit dem Kopf verwachsen sind. Der ringförmige Schultergürtel ist mehr oder weniger fest mit der Wirbelsäule verbunden.
Während die Oberseite der Rochen farblich meist dem Untergrund gleicht, ist ihr Bauch deutlich heller, oft sogar weiß. Von oben sind nur die Augen und die Spritzlöcher zu sehen. Durch diese – mit einem Ventil versehenen Öffnungen – wird Wasser eingesaugt und über die fünf paarigen Kiemenspalten auf der Unterseite ausgestoßen. So kann frisches Atemwasser selbst dann ungehindert einströmen, wenn die Rochen im Sand vergraben sind. Die perfekte Tarnung fliegt dann höchstens durch das regelmäßige Öffnen und Schließen der Spritzlöcher auf.
Auf der Unterseite der Rochen befinden sich neben Kiemenspalten und Maul auch noch Nasenöffnungen, denn die meisten Arten können sehr gut riechen, also im Wasser gelöste Duftstoffe aufnehmen.
Der sechste Sinn
Zusätzlich besitzen Rochen auch einen Elektrischen Sinn, ganz ähnlich wie Haie. Dazu befinden sich vor allem am Kopf unzählige dunkle Poren – die sogenannten Lorenzinischen Ampullen. Jede Pore ist der Eingang in einen oft viele Zentimeter langen Gang, gefüllt mit einer gelartigen, extrem gut elektrisch leitenden Flüssigkeit. Das Ende jedes Ganges erweitert sich zu einer winzigen sackartigen Höhle, die voll besetzt ist mit Elektrorezeptoren und in einen Nervenstrang mündet. Durch die Rezeptoren fließt ein ständiger Ruhestrom, der quasi gestört wird sobald der Rochen in die Nähe eines elektrischen Feldes kommt. Anders ausgedrückt: die Tiere besitzen mit all ihren kabelartig unter der Haut liegenden Lorenzinischen Ampullen einen hochempfindlichen Gleichspannungsmesser! Damit können etwa im Sand vergrabene Muscheln, Krebse oder Fische problemlos aufgespürt werden. Freilich funktioniert das nur auf kurze Distanz, hat sich aber seit Millionen von Jahren als wirkungsvolles Sinnesorgan bewährt.
Neueste Forschungen schreiben dem Elektrosinn zwei weitere Funktionen zu. So können die Lorenzinischen Ampullen nicht nur feinste Temperaturunterschiede wahrnehmen – was die Nahrungssuche ebenfalls unterstützt – sondern ermöglichen den Rochen auch eine Orientierung am Erdmagnetfeld. Mit diesem geomagnetischen Kompass lassen sich zielgerichtete Wanderungen mancher Arten im offenen Ozean über tausende Kilometer problemlos erklären.
Vorsicht Hochspannung!
Zwar ebenfalls mit Strom, und dennoch ganz anders, funktioniert das elektrische Organ (Elektroplax) der Torpedo- oder Zitterrochen, die es übrigens auch im Mittelmeer und Atlantik gibt. Dieses paarige, große und bohnenförmige Organ liegt knapp unter der Haut an der Basis der Brustflossen. Es besteht aus umgebildeten Muskeln. Grundbausteine sind sogenannte Elektrocyten, die in großer Zahl wie in Serie geschaltete Batterien wirken. Damit können elektrische Entladungen bis zu 230 Volt und 50 Ampere erzeugt werden. Diese Elektroschocks lähmen und betäuben die Beutetiere, die so von den Rochen in aller Ruhe gefressen werden können. Diese Stromstöße wirken ungefähr bis zu einem halben Meter weit und können auch Fressfeinde wirkungsvoll abschrecken.
Da die Dauer der Stromstöße nur 5 Millisekunden beträgt, sind lebensgefährliche oder gar tödliche Auswirkungen auf einen Menschen extrem unwahrscheinlich. Taucher, die eine elektrische Entladung eines Zitterrochens am eigenen Leib verspürt haben, berichten von der Intensität eines Faustschlages.
Die elektrischen Organe sind darüber hilfreich bei der Orientierung im trüben Wasser und zur innerartlichen Kommunikation. Sie werden sie auch zur Revierabgrenzung und zum Auffinden von Geschlechtspartnern eingesetzt.
Bewegungsmuster
Je nach Körperform und Familienzugehörigkeit haben sich ganz unterschiedliche Schwimmformen bei den Rochen ausgebildet. So bewegen sich Vertreter der eher urtümlich wirkenden Ordnung der Geigen- oder Gitarrenrochen, ganz ähnlich wie Haie durch sogenanntes Stammschlängeln von Körper und Schwanzflosse fort. Auf diese Weise schwimmen auch die vorhin erwähnten Zitterrochen.
Die Echten Rochen bewegen sich durch wellenförmige (undulierende) Bewegungen ihrer Brustflossen, ähnlich wie beispielsweise Seezungen.
Am elegantesten sind zweifellos die Langstreckenschwimmer unter den Rochen – die Adler- und Mantarochen. Sie gleiten wie von riesigen Flügelschlägen angetrieben scheinbar mühelos durchs Freiwasser.
Alt aber gut
Am sonderbarsten sehen die Sägerochen aus, die man erst neuerdings gemeinsam mit den Geigen- oder Gitarrenrochen zur Ordnung der Rhinopristiformes zusammenfasst. Diese lang gestreckten Tiere kennzeichnet ihr riesiges Sägeblatt mit zentimeterlangen messerscharfen Zähnen, welches aus der Nase ragt. Was uns sonderbar und eher störend scheint, ist ein wirkungsvolles Instrument zum Beutefang. Auf der Jagd in einem Fischschwarm wird blitzschnell mit dem Kopf umher geschlagen und schon gibt es eine Reihe verletzter oder zumindest betäubter Opfer, die mühelos verschlungen werden können. Aber auch im Sediment verborgene Muscheln und Krebstiere kann der Sägerochen mit diesem Werkzeug gut ausgraben. Und natürlich funktioniert die Säge auch als beeindruckende Waffe gegenüber Fressfeinden.
Als größter Vertreter dieser Ordnung gilt der Gewöhnliche Sägefisch (Pristis pristis). Er kann bis über 7 Meter lang werden, wovon allerdings knapp ein Drittel auf die Säge entfällt. Die ursprünglich weltweit, vor allem in tropischen Meeren verbreiteten Rochen, hat es bis ins 19. Jahrhundert sogar im Mittelmeer gegeben. Heute ist die Art vom Aussterben bedroht, obwohl sie sowohl in flachen Lagunen, Buchten und Flussmündungen, als auch in Brack- und teilweise sogar in reinem Süßwasser leben kann.
Ein anderer Vertreter der rund 60 Arten von Geigenrochenverwandten gilt als ungefährdet und kann im Roten Meer sogar relativ häufig beim Schnorcheln angetroffen werden. Der nur etwa einen Meter lange, als Halavs Geigenrochen (Glaucostegus halavi) bekannte Knorpelfisch, durchstöbert dort flache Seegraswiesen und Sandböden nach Weichtieren, Krebsen und kleinen Fischen.
Stachelträger – besser als ihr Ruf
Die Familie der Stech- oder Stachelrochen entspricht am ehesten dem Bild, das sich ein Laie unter Rochen vorstellt. Sie umfasst über 100 Arten, darunter so bekannte Vertreter wie Blaupunktrochen, Schwarzpunkt-Stechrochen und der Amerikanische Stechrochen. Egal ob oval, annähernd kreisrund oder rhombenförmig, die namengebenden Stacheln besitzen alle Arten – genau genommen einen bis vier aufklappbare Stacheln mit oder ohne Widerhaken auf der Rückseite des Schwanzes. Die Basis der Stacheln wird von einem Drüsengewebe umhüllt, das Gift auf Eiweißbasis enthält und mitunter starke Schmerzen verursachen kann. Das Gift ist aber nicht das größte Problem bei einem Stich. Viel gefährlicher sind die mechanischen Verletzungen der bis zu 30 Zentimeter langen messerscharfen Stacheln, die übrigens ebenso wie die Zähne alle ein bis zwei Jahre ausfallen und durch neue ersetzt werden.
Allerdings kommt es höchst selten zu einem Stich, da Stechrochen ihre Waffen nur zur Verteidigung einsetzen. Am ehesten gefährdet sind Badende, die im Flachwasser versehentlich auf einen im Sand vergrabenen Stechrochen treten. In höchster Not kann der Rochen den stachelbewehrten Schwanz über seinen Kopf nach vorne schleudern und je nach getroffener Körperregion mehr oder weniger große Verletzungen verursachen.
Bei den sehr beliebten Stechrochen-Fütterungen, wo teils ganze Gruppen großer Tiere auf Tuchfühlung zu Tauchtouristen gehen, ist es in der Karibik oder auf den Malediven bislang noch zu keinen Zwischenfällen gekommen. Ganz im Gegenteil – die Rochen wissen genau, was passiert und fühlen sich von den Blasen ausstoßenden Menschen keineswegs bedroht.
Zahnwunder
Die Zähne der Rochen haben sich wie bei den Haien evolutionsbiologisch aus winzig kleinen Hautschuppen entwickelt. Das gilt gleichermaßen für die Stacheln der Stechrochen und die teils fingerlangen Zähne auf der Säge von Sägerochen. Diese sogenannten Placoidschuppen findet man bei allen Knorpelfischen. Sie sind übrigens ganz ähnlich aufgebaut wie unsere eigenen Zähne, bestehen an der Basis aus echtem Knochenmaterial, das in eine zahnförmige Schuppe aus Dentin übergeht und mit Fischschmelz – einer ähnlichen Substanz wie unser Zahnschmelz – überzogen ist. Die Schuppe wird über Blutgefäße versorgt, die sich wie bei uns Menschen in der Zahnhöhle oder Pulpa befinden. Anders als bei uns können die Zähne der Rochen aber zeitlebens nachgebildet werden.
Teuflische Gehirnakrobaten
Riesenmantas (Mobula birostris), die wegen ihrer großen Kopfflossen leider immer noch auch unter dem Namen „Teufelsrochen“ bekannt sind, beeindrucken mit dem größten und vor allem komplexesten Gehirn aller Fischarten – wohlgemerkt, Knorpel- und Knochenfische zusammengenommen. Die Riesenmantas gelten mit ihrer Spannweite von über 7 Meter und einem Maximalgewicht von rund 2 Tonnen nicht nur als die größten Rochen, sondern auch als die cleversten. Die gewaltigen Planktonfresser sind bekannt für ihr zutrauliches, ja oft sogar neugieriges Verhalten Tauchern gegenüber. Immer wieder wird berichtet, dass die Rochen ganz gezielt die Nähe von Menschen suchen, wenn sie sich in Fischerleinen verfangen oder schmerzhafte Angelhaken im Fleisch stecken haben. Auf Hilfe oder Befreiung hoffend, halten sie still bis Leinen und Haken entfernt sind. Ähnliches Verhalten kennt man nur von wasserlebenden Säugetieren wie Walen und Delphinen.
Erst 2016 wurde eine wissenschaftliche Studie veröffentlicht, bei der Spiegeltests an zwei in Gefangenschaft gehaltenen Mantarochen durchgeführt wurden. Sich selbst im Spiegel zu erkennen, galt noch bis vor 50 Jahren als ausschließlich menschliche Eigenschaft, bis man herausfand, dass auch einige Tierarten, wie etwa Schimpansen, Raben, Papageien, Delphine und Elefanten in der Lage waren, ihr eigenes Spiegelbild zu erkennen.
Die beiden Mantarochen im Aquarium haben diesen Spiegeltest zwar nicht zu 100 Prozent bestanden, sie zeigten jedoch sehr überraschende Verhaltensreaktionen, die als Voraussetzung für ein Selbstbewusstsein gedeutet werden konnten. Es konnte geschlussfolgert werden, dass sich Mantarochen weniger wie Fische, sondern eher wie Meeressäuger verhalten.
Mit Kopfheizung in die Tiefe
Von Mantarochen hat man bislang angenommen, dass sie sich vorwiegend in den oberen Wasserschichten aufhalten, um dort nach Plankton zu jagen. Eine erst kürzlich durchgeführte Studie auf den Azoren lehrte die Wissenschaftler jedoch eines Besseren. 15 Exemplare von Mobula tarapacana – einem kleineren Verwandten des Riesenmantas – wurden dazu mit Satellitensendern markiert, die unter anderem Tiefe, Temperatur und Geschwindigkeit aufzeichnen. Und anstatt im warmen Oberflächenwasser zu bleiben, tauchten die Rochen regelmäßig mit hoher Geschwindigkeit bis in die eiskalte Tiefsee auf knapp 2000 Meter hinab. Um dabei nicht allzu sehr abzukühlen, nutzen die Mantas ein sogenanntes Wundernetz (Rete mirabilis) – ein fein verzweigtes Geflecht aus Arterien – das wie ein Gegenstrom Wärmetauscher funktioniert und ihr Gehirn warm hält. Vermutlich finden sie dort unten Nahrung, die den energetischen Aufwand der anstrengenden Tauchgänge lohnt, denn anschließend mussten sie sich im sonnendurchfluteten Warmwasser wieder aufwärmen.
Vorbild für die Technik
Ein weiteres Geheimnis aus der faszinierenden Biologie der Mantarochen konnte erst kürzlich gelüftet werden. Die Planktonfresser durchpflügen das Meer mit weit geöffnetem Maul. Das dabei mit Hilfe ihrer Kopfflossen trichterförmig zentriert einströmende Wasser gelangt nicht in den Magen, sondern entweicht wieder durch die Kiemenspalten. Lediglich die Nahrung – winzige Krebschen und kleine Fische – bleibt an den Kiemenreusen hängen und wird verschluckt. Diese Kiemenreusen bestehen aus langen Parallelreihen blattförmiger Filterlappen, zwischen denen sich kleine porenartige Öffnungen befinden. Verblüffend ist, dass auch winziges Plankton, das problemlos durch diese Poren im Filtersystem schlüpfen könnte, im Magen landet.
Um diesem Rätsel auf die Spur zu kommen, haben Forscher in Kalifornien Kiemenreusen im Labor mittels 3-D-Drucker nachgebaut und gefärbtes Wasser, mal mit, mal ohne Partikel und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten durchgepumpt. Dabei zeigte sich, dass der Wasserstrom an den Rändern der Filterlappen getrennt wird und in den Poren Wasserwirbel entstehen. Diese Wirbel lassen winzige Teilchen (Plankton) nicht durch, sondern an den Filterlappen abprallen und damit Richtung Magen gleiten, während das Wasser durch die Poren nach außen fließt. Zusätzlicher Effekt: durch die Wirbelströmungen kann der Filter nicht verstopfen!
Diese verblüffende Entdeckung könnte zur Entwicklung neuartiger Filtersysteme für unterschiedlichste technische Anwendungen führen. Denn herkömmliche Filter müssen kleinere Poren haben, als die zu filternden Partikel und sie verstopfen leicht, was kostenintensive Wartungsarbeiten nötig macht. Der wartungsfreie „Mantafilter“ funktioniert am besten bei einer Strömungsgeschwindigkeit von 30 bis 60 Zentimeter pro Sekunde.
Spätzünder
Trotz der vielen biologischen Vorteile der Rochen haben zumindest die größten Arten einen gravierenden Nachteil: Mantarochen z. B. werden erst im stolzen Alter von 15 – 20 Jahren geschlechtsreif und können dann höchstens alle 2 bis 3 Jahre ein einziges Baby bekommen. Diese langsame Reproduktionsrate – die wir auch vom Weißen Hai kennen – hat die letzten 150 Millionen Jahre tadellos funktioniert, stößt nun aber durch Überfischung, Umweltverschmutzung und Lebensraumzerstörung an ihre Grenzen.
Die meisten Rochen sind quasi lebendgebärend (ovovivipar), das heißt die wenigen Babies schlüpfen noch im Mutterleib aus dem Ei. Lediglich die Familie der Echten Rochen ist eierlegend. Die zumeist etwa spannenlangen hornartigen Eikapseln mit je einem Faden an jedem Ende sind arttypisch und werden am Bodengrund abgelegt. Erst nach 4 bis 14 Monaten schlüpfen daraus die voll entwickelten Babyrochen.
Hochgradig gefährdet
Nach neuesten wissenschaftlichen Untersuchungen schätzt man, dass ein Viertel aller Knorpelfische aufgrund von Überfischung gefährdet ist. Fünf der sieben am stärksten bedrohten Familien sind nicht Haie, sondern Rochen. Fatal ist, dass nur die wenigsten Rochenarten absichtlich gefischt werden, sondern die meisten als Beifang durch die Schleppnetzfischerei ums Leben kommen.
Bei den absichtlich gefangenen Arten stehen die Mantarochen ganz oben auf der Liste. Nicht etwa weil sie so schmackhaft sind, sondern weil ihren Kiemenreusen medizinische Heilkraft nachgesagt wird. Zumindest behauptet das die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM). Sie verdient enorme Summen mit dem getrockneten Knorpelmaterial. Das aus wissenschaftlicher Sicht völlig wirkungslose Präparat fällt in die gleiche Kategorie, wie geriebenes Horn vom Nashorn, getrocknete Seepferdchen oder Haifischflossensuppe. Die angepriesenen Stärkungs- und Potenzmittel steigern lediglich die Gewinnspanne einer weltweit agierenden Mafia.
Tourismus als Hoffnungsanker
Obwohl Mantas und einige andere Rochenarten auf der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation stehen, und jeglicher Handel mit ihnen und von aus ihnen gefertigten Produkten untersagt ist, werden sie weiter illegal stark bejagt. Die größte und vermutlich einzige Chance diese faszinierenden Rochen zu schützen und ihren Bestand zu retten, besteht darin, den betroffenen Nationen, der Bevölkerung und den Fischern vor Ort den immensen finanziellen Wert der lebenden Tiere für den Tourismus aufzuzeigen. Gerade diese riesigen, eleganten und charismatischen Rochen sind bei Schnorchlern und Tauchern rund um die Welt sehr beliebt. Dass Mantarochen-Tourismus funktioniert und sogar zweistellige Millionenbeträge pro Jahr in relativ überschaubaren Regionen erwirtschaften kann, wurde in Mosambik und auf den Malediven schon bewiesen. In drei der wichtigsten Fangnationen – Sri Lanka, Indien und Peru – stecken diesbezügliche Bemühungen noch in den Kinderschuhen.
Eine neue Studie gibt jedoch Anlass zur Hoffnung: In einer völlig unvermuteten Region, stark besiedelt und unmittelbar vor der Küste Floridas gelegen, wurde eine „Kinderstube“ von jugendlichen Mantarochen entdeckt. In nur zwei bis fünf Meter tiefem Wasser vor hoch frequentierten Badestränden, in Hafenanlagen und flachen Bootskanälen konnten in einem Zeitraum von nur 4 Jahren rund 60 Jungtiere dokumentiert werden. Und überraschenderweise handelt es sich dabei höchstwahrscheinlich um eine neue, noch unbeschriebene Art von Mantarochen. Die genetischen Untersuchungen sind nicht so weit, um diese vermutlich nur in der Karibik vorkommende Art wissenschaftlich beschreiben zu können. Die Welt der Rochen birgt also noch viele bislang ungelüftete Geheimnisse.