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Delfine

Everybody's Darling

Foto: Greg leCoeur

Ob als hoch intelligenter Filmstar „Flipper“ oder heiß umstrittener Insasse von Delfinarien, als tierischer Therapeut oder immer lächelndes Plüschtier für Kinder, ob als Opfer bestialischer Fangmethoden oder als esoterischer Kraftspender – wohl kaum ein anderes Meerestier genießt einen ähnlich hohen Bekanntheitsgrad. Dennoch ist über das tatsächliche Leben der wasserlebenden Säugetiere viel weniger bekannt. Wir haben hier ein paar objektive Fakten zu den so beliebten Wassertieren zusammengetragen.

Text: Wolfgang Pölzer

Delfine
Foto: Wolfgang Pölzer

Sind Delfine Fische?

Für den Fall dass es noch nicht jeder weiß: Delfine sind keine Fische sondern Luft atmende, warmblütige Säugetiere ­– so wie wir. Allerdings sind sie perfekt an ein Leben im Wasser angepasst. Sie stellen mit rund 40 Arten die größte Familie der Wale dar und werden gemeinsam mit etwa Pottwalen, Schweinswalen und einigen weiteren eher weniger bekannten Walen zur Unterordnung der Zahnwale zusammengefasst. Im Gegensatz zu den meist deutlich größeren Bartenwalen besitzen sie nur ein Atemloch / Blasloch sowie die namensgebenden Zähne mit denen sie ihre glitschige Fisch- oder Tintenfischbeute bestens fangen und festhalten können. Während die meisten Arten Längen zwischen 1,5 und 4 Meter erreichen, können Orcas oder Schwertwale – als größte Vertreter der Delfine – knapp 10 Meter lang und über 6 Tonnen schwer werden.

Wo leben Delfine?

Delfine kommen in allen Weltmeeren vor, sechs Arten sogar im Süßwasser. Diese, in den großen Flüssen von Südamerika und Asien lebenden Flussdelfine sind am stärksten bedroht und bereits nahezu ausgestorben.

 

Wie lange, wie tief können Delfine tauchen?

Beim normalen Schwimmen tauchen Delfine mehrmals pro Minute zum Atmen auf. Bei der Jagd nach Fischen oder Kalmaren können große Tümmler jedoch nachweislich bis zu 15 Minuten die Luft anhalten und dabei in eine Tiefe von 300 Metern vordringen. Vertreter der zur Familie der Delfine zählenden Grind- oder Pilotwale vermögen sogar bis  1000 Meter tief zu tauchen.

 

Was bedeutet Halbseitenschlaf?

Delfine atmen nicht automatisch so wie wir. Um auch im Schlaf schwimmen und Luft holen zu können, bleibt eine Gehirnhälfte der Delfine immer wach. Auch ein Auge ist dabei aktiv, um vor möglichen Gefahren zu warnen. Meist verbringen sie ihre Ruhephasen in einer geschützten Bucht, um möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Dieser sogenannte Halbseitenschlaf ist übrigens nicht nur bei Delfinen, sondern auch bei anderen Meeressäugern, Vögeln und Reptilien verbreitet.

 

Warum springen Delfine?

Obwohl Delfinaugen bestens an ein Leben unter Wasser angepasst sind, erlauben sie auch relativ gute Orientierung an der Luft. Heute wird vermutet, dass die oft gezeigten Sprünge – die bis zu 7 Meter hoch sein können – nicht nur Ausdruck von Spaß oder Verspieltheit sind. Eventuell orientieren sich Delfine so über weite Strecken oder sie halten im Sprung Ausschau nach einem Vogelschwarm, der als Indiz für reiche Fischbeute darunter dienen könnte. Auch eine bestimmte Abfolge von Sprüngen mit unterschiedlichen Figuren zur weiteren Kommunikation mit ihren Artgenossen wird von manchen Wissenschaftlern nicht ausgeschlossen. Dass Delfine oft wie Surfer auf den Bugwellen von Schiffen reiten wird jedoch meist als Spiel gedeutet. Auch haben sie offensichtlich Spaß beim Fangenspielen untereinander oder mit einem Beutetier, das sie sich oft gegenseitig zuwerfen, ohne es zu fressen. Ganz ähnlich wie eine Katze mit einer Maus spielt bevor es sie verzehrt.

 

Delfin der aus dem Wasser springt

Was fressen Delfine?

Delfine sind allesamt schnelle und gewandte Räuber. Ihre Hauptbeute besteht aus Fischen und Tintenfischen, manche verschmähen auch Krebse nicht. Auf Beutezügen wird meist gemeinschaftlich und koordiniert in Gruppen gejagt, um so Fischschwärme zusammenzutreiben und einzukreisen. Die Gruppengröße reicht dabei von einem halben Dutzend bis zur unglaublichen Menge von weit über 1000 Delfine, wie zum Beispiel beim Sardine-Run vor Südafrika.

 

Wie schnell schwimmen Delfine?

Delfine zählen mit Geschwindigkeiten von bis zu 55 Stundenkilometer nicht nur zu den schnellsten Schwimmern überhaupt – sie können pro Tag auch Distanzen von bis zu 100 Kilometer zurücklegen. Hauptverantwortlich dafür ist neben der äußerst kräftigen Schwanzflosse (Fluke) und dem stromlinienförmigen Körper auch die hohe Dämpfungseigenschaft der speziellen Haut. Sie ist extrem glatt, weil sich ihre Zellen etwa alle zwei Stunden erneuern, während die alten abgestoßen werden. Zusätzlich befindet sich unterhalb der äußeren Hautschicht (Epidermis) in der Lederhaut eine lamellenförmige mit langen Ausstülpungen besetzte „Knautschzone“. Diese fungiert als Dämpfungsschicht, die beim Schwimmen entstehende Wasserwirbel sehr effektiv abmildert und so die exzellenten Strömungseigenschaften des Delfinkörpers in jeder Situation und unter allen Bedingungen optimiert.

Ebenfalls verblüffend ist die hohe Selbstheilungsfähigkeit – wird ein Delfin beispielsweise von einem Hai gebissen, so verheilt die Wunde überraschend schnell und hinterlässt kaum Narben. Außerdem stoppt die Blutung nach einer Verletzung ungewöhnlich schnell und es treten keine Entzündungen auf. Wissenschaftler vermuten dass Delfine sowohl über körpereigene Antibiotika als auch Schmerzmittel verfügen.

 

Sind Delfine intelligent?

Im Verhältnis zur Körpergröße ist das Gehirn von Delfinen eines der größten im Tierreich, größer noch als das von Schimpansen. Gehirngröße ist jedoch nicht alles. Der letzte gemeinsame Vorfahr von Delfinen und Menschenaffen hat sich bereits vor etwa 95 Millionen Jahren abgespalten. So unterscheiden sich nicht nur Form und Aufbau, sondern auch die jeweiligen Gehirnregionen und deren Funktionen von Menschen(-affen) und Delfinen teilweise ganz deutlich. Bemerkenswert gut entwickelt ist etwa das paralimbische System, also der Bereich der für die Verarbeitung von Emotionen zuständig ist. Das erklärt das komplexe Sozialleben von Delfinen, für die ständiger Kontakt und Austausch mit ihren Artgenossen extrem wichtig ist. Gerät ein Delfin etwa in Schwierigkeiten, zeigt sich bei der ganzen Gruppe ein Zusammenhalt wie bei kaum einer anderen Tierart. Schwimmt ein verletzter oder kranker Delfin in flaches Wasser, so folgt ihm die gesamte Gruppe oft blindlings und droht gemeinsam zu stranden. Vor Australien konnte so eine Massenstrandung dadurch verhindert werden, indem ein Junges aus der Gruppe gefangen wurde und dessen Klagerufe die Delfine zurück aufs offene Meer gelockt hat. Nicht alle Wissenschaftler teilen jedoch die Meinung der herausragenden Intelligenz von Delfinen. Sie vermuten in der enormen Gehirngröße lediglich eine Anpassung an das Leben im Wasser. Dafür spricht, dass das Gehirn einen wesentlich geringeren Anteil von Nervenzellen als bei Primaten aufweist, dafür aber einen hohen Anteil von Gliazellen hat. Diese gelten als Stützgerüst und dienen vorwiegend der elektrischen Isolation und dem Stoff- und Flüssigkeitsaustausch.

 Wie auch immer – sich selbst in einem Spiegel erkennen, gutes Gedächtnis sowie bewusster Einsatz von Werkzeugen werden im Tierreich als Zeichen für Intelligenz gedeutet. So verwenden manche Delfine Schwämme, um ihre Schnauze beim Wühlen nach Beute im scharfkantigen Meeresgrund zu schützen. Andere haben gelernt, dass aufgescheuchte Bodenfische in große leere Schneckengehäuse flüchten und man den leckeren Snack nur bekommt, indem man das Schneckengehäuse an die Wasseroberfläche bringt und so lange schüttelt, bis der Fisch ins geöffnete Maul rutscht. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass solches Verhalten nicht nur von Mutter auf Kind, sondern auch von Erwachsenen zu Erwachsenen weitergegeben – also innerhalb von kurzer Zeit – erlernt werden kann.

 

Wie kommunizieren Delfine?

Delfine sind sehr kommunikativ – oder vermenschlicht gesagt – geschwätzig. Sie pfeifen und klicken nahezu ständig und zwar in einer großen Frequenzbreite, von der wir nur einen geringen Teil mit freiem Ohr wahrnehmen können. Die im Ultraschallbereich erzeugten Töne dienen zur Echoortung. Dadurch können sie sich beim schnellen Schwimmen auch im trüben Wasser ein genaues Bild ihrer Umgebung machen und erfolgreich jagen. Wie Forschungen unter kontrollierten Bedingungen gezeigt haben, ist ihr „Echo-Sehen“ dabei so detailgetreu dass sie aus 30 Meter Entfernung gleich geformte Gegenstände aus Kunststoff, Holz oder Metall unterscheiden können.

Seit über 60 Jahren versucht man nun schon die „Delfinsprache“ zu entschlüsseln. Doch auch mit modernsten Hochfrequent-Aufnahmegeräten und neuesten Computerprogrammen zur Auswertung vielfältigster Töne konnten bislang keine tiefgreifenden Erfolge verbucht werden. Wenn sie wirklich eine von Forschern nachvollziehbare Sprache benutzen, können wir bislang weder ein einziges Wort, noch den Satzbau verstehen. Tatsache ist, dass sich die äußerst sozialen Tiere nicht nur zur gemeinsamen Jagd, sondern auch zum Spiel verabreden. So konnte in einer Forschungseinrichtung etwa gezeigt werden, dass sich zwei Delfinmännchen absprechen, bevor sie völlig zeitgleich ihrer Trainerin eine neue Bewegungsabfolge präsentieren.

 

Geben sich Delfine einen Namen?

Einzigartig im gesamten Tierreich und bislang nur von uns Menschen bekannt ist, dass jeder Delfin einen eigenen Namen bekommt, den er sein Leben lang behält. Und zwar pfeift eine Delfin-Mutter schon vor der Geburt ihres Babys eine bestimmte Tonfolge, die sie ihrem künftigen Nachwuchs als unverkennbares Unterscheidungsmerkmal beibringt und auch nach der Geburt noch oft wiederholt. Der Jungdelfin erkennt diese Lautfolge – einen sogenannten Signaturpfiff – als seinen eigenen Namen und behält ihn ein Leben lang. Mit diesem Signaturpfiff wird er auch von anderen Artgenossen gerufen – sie können sich diesen Namen nachweislich Jahrzehnte lang merken, ihn von weitem ansprechen und sich damit auch mit anderen Delfinen über ihn unterhalten.

 

Wie pflanzen sich Delfine fort?

Dass Delfinmännchen beim Akt der Fortpflanzung nicht gerade zimperlich sind, ist bekannt und trübt das Image des „immer lächelnden Kuscheltieres“. Tatsache ist, dass zumindest beim Großen Tümmler oft mehrere Männchen ein Weibchen aus der Gruppe abdrängen und zur Kopulation zwingen. Erzwungene Kopulation ist auch von Enten, Eidechsen, Schildkröten und manchen Menschenaffen bekannt – nicht immer handelt es sich bei solchen Beobachtungen auch tatsächlich um eine Paarungsszene, manchmal sind lediglich Männchen beteiligt. Das gegenseitige enge Umschwimmen, sich Berühren und Reiben von Delfinen kommt unter beiden Geschlechtern vor und dient nicht immer der Reproduktion. Es kann – so wie bei vielen in Gruppen lebenden Säugetieren ­– als soziales Verhalten mit Hautkontakt zur Festigung von Bindungen oder freundschaftliches Spiel gedeutet werden. Selbst wenn dabei ein erigierter Delfinpenis zu sehen ist, kann es sich auch um spielerisches Dominanz- oder Aggressionsverhalten oder einfaches „Dampf Ablassen“ handeln.

Bei einer echten Delfinpaarung nähert sich das Männchen dem Weibchen von unten und während der 5 bis 30 Sekunden dauernden Kopulation schwimmen sie so Bauch an Bauch. Nach einer durchschnittlichen Tragezeit von einem Jahr wird stets nur ein einziges Junges geboren. Das Delfinbaby lebt in den ersten Monaten ausschließlich von der sehr fettreichen Muttermilch, die ihm direkt ins Maul gespritzt wird, bevor es selbständig mit der Nahrungssuche/Jagd beginnt. Da Babydelfine bis zu zwei Jahre lang unterstützend auch weiterhin Muttermilch bekommen, gebären Delfinweibchen nur alle zwei bis drei Jahre.

Delfine

Delfine und Drogen?

Ganz zufällig gelang es einem BBC-Filmteam, Delfine beim „Drogenkonsum zu erwischen“ und das auch perfekt zu dokumentieren: Eine Gruppe jugendlicher Großer Tümmler spielt dabei vor der Küste von Mozambique mit einem zum Ballon aufgeblasenen Kugelfisch. Immer wieder nehmen die Delfine den wehrlosen Fisch ins Maul, kauen ganz vorsichtig und sanft auf ihm herum und schubsen ihn dann weiter zum Nächsten – ganz so als ob ein Joint die Runde machen würde. Und tatsächlich scheinen die Delfine nach einer Weile völlig entspannt und benommen an der Oberfläche zu treiben, während der Kugelfisch eiligst das Weite sucht. Die Haut von Kugelfischen enthält das Nervengift Tetrodotoxin, das in geringen Dosen rauschartige Zustände verursacht.

 Ob diese Praktik regelmäßig und auch von anderen Delfinarten angewendet wird, ist bisher nicht bekannt. Tatsache ist jedoch, dass das bewusste Herbeiführen von rauschartigen Zuständen auch bei anderen Tierarten beobachtet wird. So verzehren Rentiere gerne giftige Fliegenpilze, um danach unsicheren Trittes zu schwanken, Elefanten geniessen scheinbar einen Rausch, nachdem sie gärende Früchte gefressen haben. Schlafmohnfelder plündernde Kängurus und Schafe in Australien sind ebenso bekannt wie Kerosin schnüffelnde Bären auf der Halbinsel von Kamtschatka. Aber wir brauchen gar nicht so weit weg zu blicken: die berauschende Wirkung von Katzenminze oder Baldrianwurzel ist bei vielen Stubentigern hoch beliebt. Das Verlangen nach bewusstseinserweiternden Substanzen ist also kein Alleinstellungsmerkmal von uns Menschen.

 

Wovon wird das Leben der Delfine bedroht?

Wie oben bereits erwähnt, sind die wenigen Arten von Flussdelfinen hoch gefährdet, beziehungsweise nahezu ausgestorben. Grund dafür sind ihre stark verschmutzten Lebensräume sowie deren Zerstörung durch Regulierungs- und Staumaßnahmen bzw. Kraftwerksbau. Natürlich spielt auch der Mangel an Nahrung in den stark belasteten Gewässern eine entscheidende Rolle.

Die übrigen Delfinarten haben ebenfalls mit Lebensraumzerstörung, Umweltverschmutzung, Plastikmüll sowie Klimawandel und Überfischung zu kämpfen. Man schätzt dass alleine 300.000 Delfine in Fischernetzen Jahr für Jahr als ungewollter Beifang qualvoll ersticken!

Extrem belastet und gestresst werden Delfine auch durch stetig steigenden Unterwasserlärm. Delfine sind auf ihr Echoortungssystem angewiesen, um sich unter Wasser zu orientieren, zu jagen und zu überleben – je mehr Nebengeräusche und Lärm, um so schlechter ist das möglich. Zunehmende Störfaktoren sind nicht nur die immer größeren und lauteren Schiffe, sondern leistungsstarke militärische Sonare und vor allem unglaublich laute Schallkanonen zum Aufspüren von Öl-, Gasvorkommen und sonstiger Bodenschätze am Meeresgrund. Hinzu kommt die Lärmbelastung durch Bautätigkeiten an Ölplattformen, Pipelines und Offshore-Windparkanlagen. Ständige Lärmbelastung kann zu Krankheiten und Verhaltensänderungen führen, im schlimmsten Fall zu den meist tödlich endenden Walstrandungen.

Grausame Delfinfänge inklusive blutigem Abschlachten zur Fleischgewinnung wird nach wie vor in Japan und auf den zu Dänemark gehörenden Färöer-Inseln praktiziert. Erschreckend ist leider auch die wieder zunehmende Nachfrage nach Wildfängen für Delfinarien. Diese Form der nicht artgerechten Delfinhaltung boomt in China, Russland aber auch in so beliebten Urlaubsdestinationen wie der Türkei, Tunesien oder Ägypten. Schwimmen mit dressierten Delfinen gilt dort als Touristenattraktion.