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Korallenriffe

Ökosystem in der Krise

Fotos: Wolfgang Pölzer

Was die Regenwälder für die Landfläche unseres Planeten bedeuten, das sind die Korallenriffe für die Ozeane: Biotope mit der höchsten biologischen Vielfalt. Sie beherbergen Tausende von Tierarten. Doch diesem einzigartigen Ökosystem geht es zunehmend schlechter.

Text: Nele Engler

Korallenriff mit Fischschwarm
Die lichtdurchflutenden Steinkorallen im flachen Wasser sind Kinderstube der Jungfische.

Korallenriffe als Lebensraum

Obwohl tropische Korallenriffe lediglich 0,2 Prozent der Weltmeere ausmachen, sind sie neben dem Regenwald der artenreichste Lebensraum unseres Planeten. In den Korallenriffen leben etwa 60.000 bisher bekannte Arten. Immer wieder werden neue Gattungen entdeckt.  Dieses Ökosystem ist jedoch besonders sensibel. Bei sinkenden pH-Werten durch immer mehr werdendes im Meerwasser gelöstes Kohlendioxid können sie vermutlich bald kein Kalkskelett mehr ausbilden und gehören zu den ersten Verlierern des Klimawandels. Wissenschaftler schätzen, dass die tatsächliche Zahl sogar mehr als das Zehnfache betragen könnte. 

Zwar sind die Polypen, die eine Koralle bilden, winzig klein und unscheinbar, doch durch den Bau von Riffen bilden sie die größten jemals von Lebewesen geschaffenen Strukturen der Erde. Diese farblosen Polypen sind dabei auf Algen angewiesen, mit denen sie schon vor Jahrmillionen eine Symbiose eingegangen sind: Zooxanthellen. Sie haben die Fähigkeit zur Photosynthese und können mit Hilfe von Sonnenlicht und Kohlendioxid Energie und Sauerstoff erzeugen und einen Teil davon an die Koralle abgeben. Als Gegenleistung erhalten sie Stickstoff und Phosphatverbindungen sowie einen geschützten Lebensraum im Gewebe der Korallenpolypen. Die Korallen sind auf ihre Symbiosepartner angewiesen, denn vom zusätzlichen Planktonfang alleine können sie längerfristig nicht überleben. Vor allem aber fehlt ihnen ohne Zooxanthellen die nötige Energie, um immer wieder Kalk abzuscheiden und damit zu wachsen. Bis zu eine Million dieser winzigen Einzeller leben pro Quadratzentimeter Korallenpolyp und sind für die Farben der Steinkorallen verantwortlich.

Steigt die Meerestemperatur längere Zeit auf 30 Grad Celsius an, sterben die meisten von ihnen ab und werden ausgestoßen. Die Korallenpolypen werden wieder transparent und man sieht ihr schneeweißes Kalkskelett – man spricht von Coral Bleaching. Nun ist der Korallenpolyp zwar farblos und nahezu algenfrei, aber immer noch am Leben. Sinkt innerhalb von ein paar Tagen die Temperatur wieder auf angenehme 28 Grad, vermehren sich die verbliebenen Zooxanthellen wieder und die Koralle erhält Kraft und Farbe zurück. Hält die erhöhte Wassertemperatur jedoch mehrere Wochen an, sterben die Polypen unwiederbringlich ab und damit die gesamte Koralle. Diese symbiontischen Algen gehören streng genommen zu den einzelligen Dinoflagellaten (Panzergeißler), die mit über 1000 bekannten Arten einen ganz wesentlichen Teil des marinen Phytoplanktons ausmachen und damit von immenser Bedeutung für die gesamte Nahrungskette und die Sauerstoffproduktion der Weltmeere ist. Ebenfalls spannend: ein naher Verwandter der Zooxanthellen ist der Panzergeißler „Noctiluca scintillans“, der für das Meeresleuchten verantwortlich ist.
Neben unseren bekannten Korallenriffen im lichtdurchfluteten tropischen Flachwasser gibt es auch Tiefseekorallen, über die bislang nur sehr wenig bekannt ist. Sie wachsen bei absoluter Dunkelheit in Tiefen zwischen 100 und über 2000 Metern. Auf die Mithilfe von Photosynthese betreibenden Algen müssen sie hier verständlicherweise verzichten.

 

Wie Korallen Riffe bilden und sich vermehren

Weltweit sind etwa 1500 Arten von Steinkorallen bekannt. Sie haben den Hauptanteil an der Bildung von Korallenriffen.  Im Korallendreieck zwischen Malaysia, den Philippinen und den Solomonen kommen circa 75 Prozent akker Korallenarten vor. In der Karibik beispielsweise findet man gerade einmal ein Zehntel davon. Um sich fortzupflanzen, stoßen sie – oft durch die Mondphasen gesteuert – große Mengen von Spermien und Eizellen aus, die daraufhin im Wasser miteinander verschmelzen. Es bilden sich Planula-Larven, die sich nach einigen Wochen im Plankton an passenden Stellen festsetzen und sich dort zu Korallenpolypen entwickeln. Der Polyp bildet ein Kalkskelett, teilt sich unzählige Male und legt so den Grundstein eines neuen Korallenstocks.

Das ist jedoch nicht die einzige Form der Reproduktion bei Korallen! Wenn Korallenäste abbrechen – beispielsweise bei einem Sturm – können diese einfach an einem anderen Platz weiterwachsen. Bei der Wiederaufforstung von Korallen macht man sich genau diese Strategie zunutze: man bindet die Korallenableger behutsam an einem künstlichen Riff fest und schafft so neuen Lebensraum.

Korallenriff
Korallenriffe sind wie Regenwald Hotspots der Biodiversität.

Was die Korallen gefährdet

Die Überfischung insbesondere von Kleinfischen, die im Riff nicht nur Schutz finden, sondern es auch gärtnern, hegen und pflegen, führt zur verstärkten Veralgung der Korallen. Nehmen etwa Braunalgen überhand, rauben sie den Polypen und deren Zooxanthellen das für die Fotosynthese nötige Sonnenlicht. Die immense Bebauung von Küstenabschnitten und landwirtschaftliche Monokulturen mit all ihren pestizid- und fungizidbelasteten Abwässern führen zur Versauerung der Ozeane und greift die Skelette der Korallen am lebendigen Leib an.

Steinkoralle Nahaufnahme
Makroaufnahme von Steinkorallen-Polypen

Warum Korallenriffe schützenswert sind

Korallen schützen nicht nur unser Leben, sie machen es überhaupt erst möglich. Ohne das Meer wären wir angesichts der enormen CO2-Belastung längst an Sauerstoffmangel oder Überhitzung gestorben. Kohlendioxid bindet nämlich Hitze, die Meere nehmen rund 93 Prozent davon aus der Atmosphäre auf und filtern es. Würden sie das nicht tun, hätten wir laut Wissenschaftlern globale Durchschnittstemperaturen von rund 50 Grad Celsius. Und kaum noch Luft zum Atmen: 60 Prozent unseres Sauerstoffs stammt aus dem Meer. Das sind zwei von drei Atemzügen. Probier’s mal: einmal ein- und wieder ausatmen. Dann zwei Atemzüge lang die Luft anhalten. Die heutigen Unmengen an CO2 aber können die Meere kaum noch bewältigen und versauern. Dazu kommt: Je mehr Kohlendioxid im Wasser, umso mehr Zooxanthellen siedeln sich in den Korallenpolypen an. Das Problem: Die Nesseltiere reagieren umso empfindlicher auf Wassererwärmungen. Der Prozess des Sterbens wird beschleunigt. Und wir Menschen sind es, die aktive Sterbehilfe leisten. Am Meer. An einer unglaublichen Artenvielfalt. Und an uns selbst.

Korallen Algen Philippinen
Korallen reagieren empflindlich auf Erwämung, veralgen und sterben. Foto: Foto von Carla Francisco auf Unsplash
Steinkoralle im Gegenlicht
Hirschgeweihkorallen sind durch die Korallenbleiche gefährdet - eine Folge der globalen Erwärmung.