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Interview

„Klimaschutz geht auch lässig“

Michael Walther ist Sportwissenschaftler, Wassersportler – und Gründer von ZeroEmissions. Die Zeit auf dem Wasser hat ihn dafür sensibilisiert, dass es mit der Verschmutzung der Meere so nicht weiter gehen kann.

Von Tobias Hatje

Wie kam es zu der Idee von ZeroEmissions?

Mit einem Segelfreund kamen wir im Jahr 2008 darauf, dass es nicht reicht, immer nur zu reden und anzuprangern, wenn es darum geht, den Umwelt- und Meeresschutz nachhaltig zu verankern und etwas zu bewegen. Mit Segelaktionen haben wir die Themen Umweltschutz und Sport zusammengeführt, haben im Winter 2009 alle Ostsee Anrainerstaaten angesteuert, haben Menschen aus diesen Ländern mit an Bord genommen und angefangen, das Thema zu kommunizieren. Vor paar Jahren haben wir dann das Stand up Paddeln für uns entdeckt und es hat unsere Aktionen logistisch deutlich erleichtert und so auch den Spielraum vergrößert. Von Beginn an war es das Ziel, Menschen, Medien und Unternehmen mit spektakulären Wassersportaktionen für unterschiedliche Umweltthemen zu sensibilisieren – allen voran natürlich für die zunehmende Verschmutzung der Meere. Und wir haben die Maxime: Umweltschutz muss auch cool und interessant sein, um mehr Menschen zu erreichen, Menschen die sich bisher nicht mit Klimawandel, Vermüllung und Übersäuerung der Ozeane oder Einsparung von Ressourcen beschäftigt haben! Klimaschutz kann auch lässig rüberkommen.

© Daniell Bohnhof

Was war dein Leuchtturmprojekt in den letzten Jahren?

Das war unser Grönland SUP-Trip. Im Mai 2018 ging es nach Aasiaat, an die Disco Bay. Von dort sind wir mit SUPs nach Ilulissat aufgebrochen – auf der Suche nach Eis und Spuren des menschengemachten Klimawandels. Es war landschaftlich unfassbar, direkt vor den Eisbergen zu paddeln – mit einem Board, das neben den gigantischen Eisbergen wie ein Spielzeug wirkt. Eine Once-in-a-Lifetime Erlebnis, von dem ich wahrscheinlich mein Leben lang zehren werde. Wir haben viele Einheimische, aber auch Wissenschaftler besucht. Es war so inspirierend und gleichzeitig erschütternd zu sehen, welche Zerstörung der Klimawandel in dieser so sensiblen Region schon angerichtet hat. Auf dieser Reise ist der Kurzfilm „The Great Route“ entstanden, der in den vergangenen Jahren nationale und internationale Preise gewonnen hat.

Du bist im Jahr 2020 einmal vom Süden bis in den Norden quer durch Deutschland gepaddelt.

© Daniell Bohnhof

Das Projekt war für mich am konsequentesten – es war wirklich eine „ZeroEmission“-Aktion. Ich hin mit der Bahn nach Basel gefahren und von dort mit dem SUP Board quer durch Deutschland nach Kiel gepaddelt – ohne jegliche Unterstützung auf den Weg über den Rhein, diverse Kanäle, die Weser, die Elbe und schließlich durch den Nord-Ostsee-Kanal nach Kiel. Wir hatten auf der Tour viele Kontakte mit den unterschiedlichsten Menschen, viel Beachtung in den Medien und die Resonanz war durchweg positiv und begeisternd. Das meine ich auch damit, dass Umweltschutz auch sexy rüberkommen kann. Mit Aktionen, die nicht gefährlich oder super spektakulär sind, aber ungewöhnlich und mit denen man zeigen kann, wie einfach und trotzdem aufregend es ist, sich in der Natur zu bewegen, ohne diese zu belasten oder zu schädigen.

© Tom Körber

Im Jahr zuvor warst du auch 700 Kilometer auf dem Wasser unterwegs – in 8 Tagen und mit 0 Emissionen.

Das war unser Projekt ‚Emissionsfrei Rund Schleswig-Holstein‘. Das war unsere Aktion im Jahr 2019, die ich zusammen mit Mario Rodwald, einem sehr guten Kitesurfer, umgesetzt habe. Mario hat schon ein paar Dokumentationen über die Meeresbelastung an der Nord- und Ostseeküste gedreht, ist als ehemaliger Profi-Kiter schon lange dem Meer verbunden. Wir sind immer abwechselnd entlang der Küste des nördlichsten Bundeslandes gesurft oder gepaddelt. Von Kiel, nach Travemünde und Lübeck, durch den Elbe-Lübeck-Kanal, die Elbe hinab, entlang der Nordseeküste und dann von Flensburg wieder an der Ostseeküste nach Süden Richtung Kiel. Einer von uns war auf dem Wasser, der andere begleitete ihn mit einem Elektroauto. Zur Absicherung auf dem Wasser haben wir auf ein Torqeedo-Elektro-Motorboot zurückgegriffen.

Jedes SUP-Board ist aus Kunststoff. Wenn man es entsorgen will, gilt es als Sondermüll. Wie gehst du mit diesem Widerspruch um?

Das ist wirklich schwierig. Gerade in der Pandemie hat es ja viele Menschen in die Natur gezogen, sie sind rausgegangen, haben sich abgelenkt. Aber je mehr Menschen auf Berge steigen oder mit einem SUP-Board aufs Wasser gehen, umso größer ist die Belastung, desto mehr CO2 stößt man bereits beim Weg ans Wasser oder zum Berg in die Luft. Und trotzdem glaube ich, dass man Menschen nur für eine intakte Natur sensibilisieren kann, wenn sie auch die Schönheit und Einzigartigkeit der Natur kennenlernen. Wir haben in diesem Jahr das erste SUP-Holzboard entwickelt, was nahezu komplett kompostierbar ist. Es ist noch ein Einzelstück, aber zumindest ein Anfang, ein Denkanstoß. Zudem muss man das Board auch mehr pflegen, um es zu erhalten. Ein Aspekt, der wieder mehr Augenmerk bekommen sollte – Sachen länger zu nutzen, sie zu pflegen und zu bewahren. Den Konsum zu reduzieren, ist kein Verzicht. Es ist ein Gewinn – für die Umwelt und für das eigene Selbstwertgefühl.

© Tom Körber

Welche Projekte sind bei ZeroEmission in der Pipeline?

Wir planen zusammen mit dem Alfred-Wegner-Institut eine Tour entlang der norddeutschen Küsten, um zu zeigen, wo der Klimawandel auch bei uns schon deutliche Auswirkungen offenbart. Dafür arbeiten wir mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Einrichtungen zusammen, von Bremerhaven über Sylt, Kiel, Warnemünde bis nach Schwerin. Unterstützt wird das Projekt von „Scientist for future“  und unser Ziel ist es, unter anderem einen Film zu produzieren, der auch für Schulklassen geeignet ist, das Umweltthema den Jugendlichen näher zu bringen. Und zwar mit starkem regionalen Bezug.

© Tom Körber