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Skurrile Kunstskulpturen als Message für den Meeresschutz

Skeleton Sea, dahinter stecken Xandi Kreuzeder und Joao Parrinha, leidenschaftliche Surfer und begeisterte Künstler. Ihre Mission: Kunstwerke aus dem Müll der Meere zu formen. 

Von Tobias Hatje

Wie ein auftauchender Dinosaurier ragt der riesige Kopf des Pet Dragon Sea Monster aus dem Hafenbecken von Lissabon. 50 Meter lang, aus 300.000 Einweg-Plastikflaschen geformt und mit einem Gewicht von 12 Tonnen schwimmt das Ungetüm durchs Wasser. Entstanden aus Müll, aus PET-Einwegplastikflaschen, deren Lebenszyklus nach nur einmaligem Gebrauch auf den Müllhalden oder im Schredder endet – oder eben achtlos weggeworfen jahrzehntelang durch die Ozeane treibt. Xandi Kreuzeder, einer der Künstler und Aktivisten von „Skeleton Sea“, hat diese 300.000 gesammelten PET-Flaschen zu einem Kunstobjekt geformt – einem künstlerischen Mahnmal gegen die achtlose Verschmutzung der Meere.

Hinter Skeleton Sea stecken Xandi Kreuzeder und Joao Parrinha aus Portugal, beide Surfer aus Leidenschaft, aber auch gleichzeitig begeisterte Künstler, Maler und Fotografen. Ihre Mission: ‚Turn trash into art‘, aus dem Müll, den die Meere anspülen, Kunstwerke zu formen. Skurrile Skulpturen, mit denen sie auf ihre Weise auf die zunehmende Wasserverschmutzung aufmerksam machen wollen und für das komplexe Ökosystem der Ozeane sen­sibilisieren möchten. Als die beiden vor Jahren gemeinsam mit ihrem spanischen Mitstreiter Luis de Dios bei einer Surfsession auf der Azoreninsel São Jorge vor Müll kaum ins Wasser kamen, war ihnen klar: Nur die Verschmutzung der Meere anzuprangern reicht nicht, sie wollten auf ihre Weise aktiv werden. Der Strand der Insel war mit Meeresabfall übersäht – Wrackteile von Schiffen und Autos, riesige Bojen, zerbrochene Surfbretter, tote Vögel, angeschwemmtes Holz und ­jede Menge Plastikmüll.

Turn trash into art

Es waren Abfälle und alte Rohstoffe für ihre neuen Skulpturen – die puristischste und kreativste Form des Upcycling. Im Laufe der Zeit entstanden immer mehr Kunstobjekte, wie etwa „Bin Tin“, ein furchteinflößender zwei Meter langer Fisch mit riesigen Augen, einem Maul mit Zähnen wie Dolche und einem Panzer aus Plastikfetzen. Seine elf Mägen trennen den Meeresmüll gleich rohstoffgerecht: in Blechdosen, Zigarettenschachteln, Plastiktüten und Flip-Flops, „alles Dinge, die das Meer an die Küste gespült hat und die wir gesammelt haben,“ so Joao. Es ist ihre Art, ihren liebsten Spielplatz, den Strand und das Meer vom Müll zu befreien und somit im Kleinen etwas zu bewegen, „anstatt immer nur über Umweltverschmutzung und Klimawandel zu lamentieren“, sagt Xandi.

Aber auch schöne Skulpturen wie „Last Tuna“, ein Thunfisch gestaltet aus alten, verrosteten Konservendosen, oder der „Great White“, ein drei Meter langer Hai, geformt aus Treibholz, entstehen unter den Händen der Künstler. Die Skulpturen stellen sie auf Street-Art-Events aus, bei Surffestivals oder in Museen. „Corona hat natürlich Festivals unmöglich gemacht, aber seitdem haben wir vermehrt Auftragsarbeiten. Das Dragon Sea Monster ist zum Beispiel von Purify initiert, einem Hersteller von Wasserfilteranlagen, der Trinkwasser anbietet ohne Plastik Einwegflaschen zu nutzen.“

„Keep the Ocean clean“ macht Schule

Aber auch Skeleton Sea und seine Macher wie Xandi und João haben, wie so viele Künstler und krea­tive Köpfe zu kämpfen: Die Kunst wird bestaunt, die Ideen goutiert und gefeiert – aber die Finanzierung ist eine ewige Gratwanderung. „Mit den Ausstellungen verdienen wir etwas Geld, aber das deckt meist nur die Kosten für Organisation, Transport, das Drucken von Plakaten und Aufstellern.“ Die schwierige monetäre Situation hält die Surfdudes jedoch nicht davon ab, ihre Grundidee „Keep the Ocean clean“ auch mit Aktionen an den örtlichen Schulen voranzutreiben. Im Oktober lassen sie ein anderes Projekt von Skeleton Sea wieder aufleben: Sie gehen mit Unterstützung von Meeresbiologen an die Schulen, veranstalten Beach Cleanings und werkeln mit den Schülern kleine Kunstwerke aus dem gesammelten Müll. „Über 1000 oft lustige und kreative ­Mini-Skulpturen sind in den vergangenen Jahren bereits entstanden.“ Geld hat der portugiesische Staat für den Einsatz von Xandi und seinem Team nicht, es sind reine Good-will-Aktionen. „Aber man hat das gute Gefühl, mit den Workshops bei den Kids wirklich etwas zu bewegen“, beschreibt Xandi seine Motivation.

Sein nächster Coup: Mit der Skeleton-Sea-Werkstatt in der Nähe von Ericeira ist er gerade umgezogen – demnächst will er auf seinem Grundstück ein paar einfache Tiny Houses bauen. „Ich möchte eine Art „Artist Residence“ gestalten, wo Künstler, Surfer und Meeresaktivisten zusammenkommen, die Werkstatt nutzen und ihre Projekte umsetzen können.“

Weitere Infos unter Skeleton Sea.

Fotos: www.skeletonsea.com